Mit diesem Tagebuch habe ich wegen meiner Ma begonnen, die 2007 an ALS (Amyotropher Lateralsklerose) erkrankte, um den Verlauf zu dokumentierten. Vorher war sie topfit, sportlich und attraktiv. Sie ist jetzt 60, inzwischen vollständig gelähmt, kann seit 3 Jahren nicht sprechen, wird über eine Magensonde ernährt. Dabei funktioniert das Gehirn jedoch 1 A. Hinzu kam vor gut zwei Jahren die völlige Erblindung durch Grauen Star, Operationen waren erfolglos, weswegen nun seit einem knappen Jahr für sie keine Möglichkeit der Kommunikation besteht, denn gelähmte ALS-Patienten verständigen sich eigentlich mit Augensteuerung! Seit anderthalb Jahren ist sie nun mit einer ihrer Katzen im Pflegeheim.

Donnerstag, 1. April 2010

Amyotrophe Lateralsklerose – Die Krankengeschichte beginnt in 2004

Angefangen hat es 2004 mit Blitzen im Kopf.

An ihrem 56. Geburtstag im Oktober 2006 haben wir sie in die Stroke-Unit geschickt um abzuklären, ob sie vielleicht einen Schlaganfall gehabt hatte. Seit einiger Zeit klagte sie über eine verwaschene Aussprache und Verschlucken bis 10 mal am Tag. Dort meinte man nach einigen Tests, bei denen nichts auffällig war, sie sollte sich mal richtig ausschlafen.

Im August 2007 wollte sie selbst zum Neurologen, sie wurde erst mal mit Vitamin B 12 gefüttert. Er stellte einen erhöhten Muskeltonus fest und eine Pupillenerweiterung links. Zu der Zeit sah sie Bilder wie Mosaike, zwei Wochen lang. Im November 2007 wurde sie an eine Nervenklinik überwiesen. Nach mehreren, auch schmerzhaften Tests wurde nichts eindeutiges festgestellt. Verdacht auf ALS. Rilutek.

Im Januar 2008 noch mal die selbe Prozedur, diesmal erhärtete sich der Verdacht, aber eben wieder nur Vermutungen.

Für August 2008 bekam ich kurzfristig einen Termin für sie in der ALS-Ambulanz der Charité in Berlin, ich wollte ihr gern die „Tierversuche“ hier in der Nervenklinik ersparen.

Da konnte sie schon nur noch langsam laufen, war zwischen Parkhaus und Ambulanz so außer Atem (sie meinte Zwerchfellkrampf), dass wir einen Rollstuhl holen mussten.

Die Ärztin und der Oberarzt kamen nach wenigen Tests ohne Geräte und Stromstöße zum klaren Ergebnis, dass sie die bulbäre Form der ALS hat mit Spastik. Die bulbäre Form beginnt mit Einschränkungen der Atmung und ist die aggressivere Verlaufsform. Durch die Spastik ist der Verlauf aber weniger aggressiv.

Damit waren für uns alle Zweifel ausgeräumt und die schreckliche Vermutung hatte sich bestätigt und alle Spekulationen, dass sie etwas anderes, „netteres“ haben könnte, wie z.B. Myasthenia Gravis, waren abrupt beendet. Ihr Todesurteil hat sie bekommen. Oder wie die in der Nervenklinik hier meinten: das schlimmste überhaupt was man kriegen kann.

Und heute ist sie ja mental noch „gut beieinander“, ist aber in ihrem Körper gefangen und kann ihn nicht mehr benutzen. Sie kann sich fast nicht mehr bewegen, nur noch die linke Hand geht einigermaßen, kann nichts essen und trinken, nicht sprechen und nun auch visuell nichts mehr erkennen - noch 5 % nach Glaukomanfällen 2008 und dazu gekommenem Grauen Star. Sie hat eine Magensonde seit November 2008, lebt seit Oktober 2009 im Pflegeheim. Und das war höchste Zeit. Alleine konnte man sie nicht mehr lassen. Selbst auf ihren Hand-Notrufknopf konnte man sich nicht verlassen, wenn sie blöd gefallen wäre und die Arme nicht zusammenbekommen hätte um zu drücken. Nachts alleine aufzustehen gelang ihr auch nicht mehr. Trotz Pflegebett mit „Galgen“.

Einmal lag sie über zwei Stunden mit dem Gesicht in ihrem Blut, bis ihre Freundin zur Verabredung am Mittag kam und sich wunderte, weil ihr niemand öffnete und sie leises Wimmern hörte und den Hausmeister rief, der dann die Tür öffnete. Sie wollte nur den Müll auf den Balkon räumen und wurde von der Balkontür geschubst. Die ging immer langsam zu, wenn man sie nicht befestigte. Der leichte Schubs reichte aus, um sie zu Fall zu bringen. Natürlich musste sie auch mit dem Kopf auch noch auf eine Kante vom Untergestell eines Tischchens aufschlagen… Niemand hörte sie in ihrem 15-stöckigen Hochhaus. Der Pflegedienst wäre erst abends wieder gekommen.

Im Krankenhaus haben wir wegen ihrer Stürze schon einige Stunden zugebracht…

Im Dezember 2008 bekam sie die Pflegestufe I, ein halbes Jahr später nach dem besagten Sturz beantragte ich die Pflegestufe II und bekam sie auch. Endlich war auch Geld da für einen Pflegedienst. Trotzdem war ich täglich immer noch einige Stunden eingespannt, denn der Pflegedienst reichte für die Morgentoilette und kam abends noch mal. Bis sie ins Heim konnte - was natürlich auch nur durch eine Bekannte möglich geworden ist, sonst würden wir wohl heute noch warten - und auch eine ihrer zwei Katzen mitnehmen durfte, war ich schon gut ausgelastet. Um die ganzen Beantragungen hab ich mich auch gekümmert: Zuzahlungsbefreiung, Pflegestufen, unbefristete(!) Erwerbsminderungsrente beantragen und Schwerbehindertenausweis, Wohngeld, Rezepte besorgen, Pflegedienst regeln, Heimsuche usw. Da hat man gut zu tun. Das war ein Fulltime-Job mit Überstunden. Sie konnte ja auch gar nichts alleine regeln, weil sie nicht sprechen konnte und seit Ende 2008 nur noch paar Schritte ohne Hilfe laufen konnte.

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