Mit diesem Tagebuch habe ich wegen meiner Ma begonnen, die 2007 an ALS (Amyotropher Lateralsklerose) erkrankte, um den Verlauf zu dokumentierten. Vorher war sie topfit, sportlich und attraktiv. Sie ist jetzt 60, inzwischen vollständig gelähmt, kann seit 3 Jahren nicht sprechen, wird über eine Magensonde ernährt. Dabei funktioniert das Gehirn jedoch 1 A. Hinzu kam vor gut zwei Jahren die völlige Erblindung durch Grauen Star, Operationen waren erfolglos, weswegen nun seit einem knappen Jahr für sie keine Möglichkeit der Kommunikation besteht, denn gelähmte ALS-Patienten verständigen sich eigentlich mit Augensteuerung! Seit anderthalb Jahren ist sie nun mit einer ihrer Katzen im Pflegeheim.

Donnerstag, 25. März 2010

Erster Eintrag

Als es vor 2 Jahren anfing Gestalt anzunehmen, hat man noch gedacht, es wird schon wieder gehen, wenn es ihr etwas besser geht. Aber heute bin ich frei von der Illusion. Nichts von dem, was einmal verloren war, kam wieder zurück. Weder das Sprechen noch das Laufen, das Sehen, jetzt das Eintippen der wenigen Worte, die sie noch zusammenbekommt in endlos erscheinenden Versuchen sich mit ihrem Kommunikator zu verständigen. Sie sieht es einfach nicht mehr. Und die linke Hand – die rechte, ihre Rechtshänderhand, rechtshändiger gings gar nicht, ist schon so eingekrümmt, dass die nicht mehr zu gebrauchen ist – macht auch bald schlapp. Die Finger gehen kaum noch gerade.

Mit „es“ ist das merkwürdige Monster gemeint, das sich in ihr eingenistet hat 2006 und sie nicht mehr freilässt und ihr alles wegnimmt, was sie konnte. Sie ist wieder ein hilfloses Baby geworden, das über einen erwachsenen Verstand verfügt.

„Es“ heißt ALS. Man hatte schon davon gehört, weiß dass die Krankheit tödlich ist, aber wenn man jemanden kennt, der es auch hat, viel länger schon, der noch sprechen und noch gut kommunizieren kann, Artikel schreibt, dann denkt man: Der hat’s gut! Wie skurril!

Wenn ich kann, will ich dieses Blog weiterentwickeln und aktualisieren, zwischendurch auch vergangene Ereignisse einflechten.

Anfangen will ich mit aktuellem, das mich nun gerade beschäftigt: Ich werde das Gefühl nicht los, dass sich meine Ma nach wie vor eher darum sorgt, was um sie herum nicht „perfekt“ ist, als dass sie an sich denkt und ihre Probleme erklären kann oder will.

Ich frage, wo ihr der neue Pflegerollstuhl nicht „passt“, was noch verstellt werden muss, sie kümmert sich aber eher darum, dass die Vase rauskommt und sie eine neue Klingel bekommt, der Hausmeister weiß zwar Bescheid, ist aber wichtig… Ich könnte 24 h bei ihr zubringen und hätte immer was zu tun, wetten? Die Haarfarbe, die ich vor 2 Wochen gekauft habe steht immer noch da und wartet, aber ich muss auch irgendwann gehen, ich schaff es einfach nicht. Ich hab schon ein schlechtes Gewissen, bevor ich hingehe, dass wieder nicht alles wird, was gemacht werden sollte. Für sie müssen es Ewigkeiten sein, in denen sie nur warten kann, dass jemand sich ihrer annimmt. Auf ihr Weinen reagiert.

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